Erik Hoffmann
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Island Universe
Aufgereiht vor der Nord-West-Küste Schottlands stellen die Inseln der Hebriden für Erik Hoffmann mehr als eine Heimat dar. Seit er vor nunmehr 10 Jahren das erste Mal diese Welt entdeckte, haben sie seine Vorstellungskraft angeregt. In seinen Eitempera-Gemälden gestaltet Hoffmann alles um, indem er es durch das Nadelöhr der Hebriden filtert.
Hoffmann lebt und arbeitet in einer alten Küstenwachstation an der Westküste der Insel Barra, auf einer Landzunge mitten im Nirgendwo. Einer der Vorbesitzer war Sir Compton MacKenzie, ebenfalls Inselliebhaber und (zeitweiliger) Freund D. H. Lawrence' (The man, who loved islands). Diese Landzunge bildet sozusagen Hoffmanns 'inneren Kosmos', innerhalb des größeren der gesamten Insel, welche wiederum stellvertretend ist für die Inselwelt der Western Isles.
"Es herrscht hier eine Fremdheit und Magie und gleichzeitig eine Vertrautheit des Ortes, die mir woanders nie zuvor begegnet ist. Es ist, als wäre ich seit Urzeiten Teil dieser Landzunge."
Hoffmann malt die Landzunge, die Insel und ihre Bewohner. Die Annäherung ist selten direkt, meist langsam und behutsam und durch Jahre der stillen Beobachtung eingeleitet.
"Ein Maler sollte die Menschen, welche er malt, über lange Zeit kennen, am besten über Generationen - ein Charakter hat doch seine Wurzeln in der Vergangenheit."
Von den erzählenden Malern ist es nur wenigen gegeben, eine wahre Welt entstehen zu lassen, deren Gestalten nicht um die Gunst des Publikums buhlen, sondern, ohne Rücksicht auf uns als Beobachter, ihr Schicksal erleben oder erleiden oder vollstrecken. Meist agieren diese Gestalten für ein Publikum. Als ich einst einen Raum mit Hoffmanns Arbeiten betrat, war ich umringt von ernsten Gestalten und wagte kaum zu sprechen, denn jedes Wort schien dieses tiefe und vollkommene Schweigen, dem sich all diese Figuren beinahe aktiv hingaben, zu stören. Ich bemerkte, dass mich kaum eine dieser Figuren direkt ansah, nicht einmal der grämliche Künstler selbst, der, wie sie, ratlos in die Weite zu blicken schien, als wäre soeben etwas geschehen, was nicht hätte geschehen dürfen. Was taten diese Figuren? Sie taten nichts, sie waren vollauf mit dem Schweigen beschäftigt, die Lippen fest geschlossen, die Blicke in verschiedene Richtungen gewandt, nicht eigentlich in Erwartung, sondern in stiller Ergebenheit. Es komme, was da kommen möge. Sie waren gefaßt und vorbereitet. So standen sie denn wie versteinert, Menschen, alt wie jung, Schafe, Kühe, Seevögel oder - in Hoffmanns neueren 'Topiaries' - Pfaue und Hunde seltsamer häßlicher Rassen, und schienen irgend einer Art der Erlösung aus der Pflicht ihrer Präsenz zu harren, der sie alle so unfroh nachhingen (APRIL DAYS, 1990; SOMERSET SUNSET, 1990).
"Meiner Meinung nach taugt zur Verewigung zeitgenössischer Wirklichkeit und damit existierender Menschen die Bewegtheit nicht viel, weil keine einzelne Bewegung das Bild des Menschen in seiner Gesamtheit wiederzugeben vermag, und nur eine unaufgerührte Stille die Idee von ihm spiegelt."
Die meist dunklen Landschaften hinter Hoffmanns Gestalten, in zeitraubender Arbeit in erdigen Temperatönen herausgearbeitet, zeugen von seiner stillen Ablehnung allen Glanzes. Es ist das Dunkel der Einsamkeit, dem er seine Figuren für kurze Zeit entreißt, indem er sie in ein imaginäres Licht stellt, um sie zu Leidensgefährten zu machen, zu Weggefährten in einer tragischen Welt, zwar topographisch durchaus erfaßbar als die kleine Welt der Hebriden, letztlich aber den Kosmos meinend.
Hoffmanns Impuls zum Malen eines Bildnisses erscheint mir als ein doppelter Vorgang, nämlich der Projektion und der Identifikation mit dem Modell ... Dessen Schicksal [macht] sich der Maler für die Dauer des Arbeitsprozesses zu eigen ..., und zwar bis in die letzten Äußerlichkeiten. Wie ein guter Schauspieler den Hamlet spielt und durch die Kraft und Macht seiner Seelenübertragung zu Hamlet wird, so schlüpft Hoffmann in die Rolle seiner Figuren. Zwischen Wirklichkeit und Imagination wird hier ein dritter Weg beschritten, der beides vereint und sich als Synthese dem Nacherleben anbietet. Was wir auf seinen Bildern sehen, sind demnach Kunstfiguren, geschaffen in der Absicht, unser Innerstes anhand eines zufälligen Objektes zu berühren ...
Der Künstler kleidet seine Figuren meist in schwere Wollpullover, in abweisende Ölhaut oder unförmige Parkas. Damit entspricht er keineswegs der Tatsache eines recht unwirtlichen Wetters dieser Breitengrade, denn auch auf den Inseln bevorzugt man heute die pflegeleichten Stoffe, bunt und billig bedruckt. Vielmehr sind diese Gewänder als Sinnbilder seelischen Selbstschutzes seiner Figuren zu verstehen, eines 'noli me tangere'.
"Es wäre für mich ein Widerspruch, Figuren, denen ich letztlich ja Zeitlosigkeit einhauchen möchte, in Gewänder zu kleiden, welche in jedem Laden zu kaufen sind. Ein Gewand bedeutet ja Schutz in jeder Hinsicht, vor allem, was von außen gegen die Menschen eindringt, auch und vor allem vor seelischer Gewalt. Meine Figuren sind Verletzte, und ihre Kleider sind Attribute dieser Verletztheit."
Immer wieder zeigt der Künstler in seinen Gemälden geheime Korrelationen und Korrespondenzen auf. Diesen Zusammenhängen lohnt es nachzugehen, zeigen sie doch ... die Dichte und den Reichtum von Hoffmanns Kunst.
Da 'manifestiert' sich eine Welle in der wogenförmigen Gestalt einer Sanddüne (ISLAND BEAUTY, 1986), werden die Sterne des Nachthimmels zu Glanzlichtern im Auge der alten Frau (CASSIOPEIA, 1988), spiegelt sich ein atlantischer Regentag in den Augen des Künstlers (ON A LEE SHORE, 1992), steht der Rücken einer vereinzelten Kuh dem Reptilrücken des 'Points' gegenüber (THE POINT, THE DYING OF THE LIGHT, 1992), greift das wärmende Feuer eines letzten Sommertages auf das wogende Dünengras über, um endlich als Sinnbild zu dienen für das aufkeimende und aufflammende Erwachen der noch verborgenen Sexualität eines jungen Mädchens (SUMMERS END, 1991), da droht sich die Harpune eines Walfängerdenkmals auf den Kopf eines Mannes herabzusenken, um so die Gefährdetheit und Tragik eines Individuums aufzuzeigen (WHALEBONE, 1990) und wird schließlich ein Gemälde wie THE POINT, THE HOUR OF SOLITUDE (1993) zum ... Gleichnis für Werden und Vergehen, ähnlich wie bei dem Maler Giovanni Segantini (1858-1899), der ja auch in die Hügel und ... in die Berge, ja bis zu den Gipfeln aufstieg, "ohne andere Absicht, als in den Dingen die faszinierende Leidenschaft wiederzugeben, die mich dazu geführt hat, ihnen meine ganze Liebe zu schenken" (Segantini in einem Brief an Vittore Grubicy in Mailand).
Da wird der Entwurf einer Gegenwelt dargeboten, in der alles überschaubar ist, in der Entfremdung aufgehoben scheint, in der alles einfach und sinnvoll wird und die elementare Natur der Hebriden unter dem doppelten Aspekt der Gegenwart und der Zeitlosigkeit erscheint, materiell und immateriell zugleich, und Orientierung, Klarheit, vielleicht sogar Erlösung verspricht.
Die komplizierte malerische Technik zwingt Hoffmann dabei zu höchster Konzentration und Anstrengung. Mit ihr bringt er ein Moment des Widerspruchs, des Widerstands in die Behandlung seiner Motive, verleiht er seinen Bildern Spannung und wirkt so der Gefahr des Banalen entgegen. Sie ermöglicht es ihm, die Materie von verborgenen Strömungen durchwaltet zu sehen, das Brüchige, Vorläufige, Durchlässige der Realität wenigstens ahnen zu lassen. Sie versetzt die Flächen der Hügel in vibrierende Bewegung, belebt die Strukturen von Boden und Felsen, bricht die Erstarrung der Landschaft auf. Sie erfüllt totes Gestein mit pochender Energie und verleiht Allem die Suggestion möglichen Wachstums.
Alles ist miteinander verstrickt, verwoben, schicksalhaft verkettet. Es gibt keine Zufälligkeiten. Hoffmann mach exemplarisch deutlich, daß es sich in seinen Gemälden immer um die Welle, den Felsen, den Menschen handelt. Diese aber werden malerisch derart gestaltet, daß sie den ganzen Reichtum dieser vielfältigen Welt in sich zu vereinen scheinen. Diese strenge Selektion bzw. Reduktion macht den ganzen Unterschied zur Fotografie deutlich, die solches nicht zu leisten vermag.
Aus welchen Quellen nun schöpft Hoffmann, woher bezieht er sein Wissen um diese Zusammenhänge?
"Gibt es denn Zusammenhänge? Sicherlich, die Augen einer Frau verglichen zu wissen mit den Sternen ist eine anregende Sache. Dem einen mag es Unsterblichkeit des Menschen vermitteln, dem Anderen werden die Sterne zu etwas sehr Irdischem, erreichbar, endlich erreichbar. Aber das Alles sagt doch eher etwas über unsere Wünsche aus, denn letztlich kann man doch so unvereinbare Dinge nicht miteinander vergleichen. Kein Bild dieser Welt vermochte bisher auch nur ein Rätsel zu lösen, hat im Gegenteil nur neue Rätsel hinzugefügt. Wir können die Welt nur interpretieren, können, wenn wir geschickt sind, vielleicht mehrere Interpretationen miteinander verknüpfen, und das kann ja auch Spaß machen. Aber was soll dabei herauskommen?
Die Aufgabe des Künstlers ist letztlich, so meine ich, die Befragung des Schweigens. Immerhin: Das Lammen im Frühling, das Wachsen der Erde, die Äquinoktialstrürme und 'die vollen Schränke im Winter prägen ein Muster in das Chaos der Existenz und repräsentieren Ewigkeit', um es einmal in den Worten des Orkney-Dichters George Mackay Brown zu sagen, den ich sehr bewundere."Hoffmann ist dem Rest der Welt verbunden wie ein Jeder von uns. Aber er hat sich bis zu einem Punkt zurückgezogen, von dem aus er die Welt als innerliche Reflexion begreifen kann, als eine sehr klare und eindringliche Vereinfachung, die er in der Mitte des Geschehens niemals erreicht hätte. Er baut an 'seinem' Schiff des Todes, von dem es in D.H. Lawrence' Gedicht heißt:
"Ein Mensch baut sein ganzes Leben das Schiff, welches ihn über die Flut des Todes hinwegtragen wird. Jedes richtige Wort, Handlung oder Absicht hobelt ein Brett, treibt einen Nagel ein, kalfatert die Fuge. Oh bau Dein Schiff des Todes, denn Du wirst es brauchen..."
...
Hoffmanns Western Isles sind manchmal überschattet von Schmerz und dem Verlust der Träume, aber sie sind nicht so verletzlich, wie es scheint. Sie sind ein Ort für Überlebende und deren Geschichten. Der Künstler hat mit ihnen ein eigenes Land erfunden, wie es auf der Welt keines mehr gibt, mit Ausnahme, wie W. Wordsworth sagte, der Welt, in der wir alle leben.
Guilio d'Ercole, Rom
Dezember 1992
Erik Hoffmann
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