Erik Hoffmann

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Visionen des Wirklichen.
20 Jahre Städtische Galerie im Park Viersen.
Gemälde - Zeichnungen - Plastiken
Katalog. Viersen 2001.

 

Erik Hoffmann in:
Armin Schreiber: "...ein guter Maler ist inwendig voller Figur..." 

Als ich 1956 in Caracas die ‚Amerigo Vespucci' bestieg - stolz, meinen Namen auf der Passagierliste zu sehen: Bimbo Erik Hoffmann, destinazione Genova -, um mit meiner Großmutter die Überfahrt von Venezuela nach Europa anzutreten und weiter die Heimfahrt in die österreichische Steiermark, in der ich geboren wurde, hatte ich in meinem Gepäck zwei schlichte Holzkegel, die mir mein Vater zum Abschied geschenkt hatte. Ich hatte meine Eltern zum ersten Mal gesehen, denn sie lebten in jenen Jahren in Venezuela, während ich bei meinen Großeltern aufwuchs. Das Schiff - ein Dampfer der Amerika-Linie - befand sich bereits auf hoher See, als meine Großmutter die Kegel an sich nahm und sie vom Achterdeck in die See warf. Sie konnte ihren Schwiegersohn nicht leiden. Ich wurde sofort krank. Der Schiffsarzt, ein Italiener, konnte sich meiner Großmutter nicht verständlich machen. Er legte mich in eine Quarantäne-Kabine, zu der niemand Zugang hatte. Ich spüre die Eisbeutel, die meinen verwundeten Kopf kühlen sollten, und ich sehe das Halbdunkel der engen Kabine, in der ich wie aufgebahrt lag und von allem abgeschnitten war, was mein Leben hätte erträglich machen können. Als das Fieber stieg, betrat ein dunkler Mann meine Kabine und ölte meinen Körper sanft ein. Meine Großmutter war Katholikin, und ich erfuhr meine letzte Ölung. Kurz vor Genua genaß ich, und meine Großmutter entschloß sich, die weitere Heimfahrt anzutreten.

In den folgenden Jahren hatte ich den Status eines Rekonvaleszenten. Die Ärzte sprachen von einem Virus und von verschleppter Hirnhautentzündung. Ich durfte nicht mehr geimpft werden. Mein Großvater erhielt den Auftrag, mich möglichst oft in die frische Luft zu führen. Es folgten Jahre endloser Waldspaziergänge, vorbei an Sägemühlen, Basaltsteinbrüchen, Bahnwärterhäusern und Pez-Automaten. Es waren Jahre voll unstillbarer Sehnsucht nach immer neuen Comics, deren Schauplätze - besonders die der Disneys-Comics - den Szenerien meiner Spaziergänge entsprachen. Es wird in diesen Jahren gewesen sein, daß ich begann, mir ein besseres Universum auszudenken, mit Geschichten, die 'gut' enden. Es wird in einem dieser Jahre gewesen sein, als ich auf die Rückseite meines einzigen Buches - ein großer roter Band der Gebrüder Grimm, aus dem mir mein Großvater abends vorlas - mit beträchtlicher Akribie das Abbild eines Schiffes zeichnete: der ‚Amerigo Vespucci'.

Die Wälder, Sägemühlen, Basaltgruben und Bahnwärterhäuser der steirischen Wälder sind alle in meine Bildwelten eingetreten. Erst später gelang es mir, die Enge der steirischen Täler, die lähmenden frühen Schatten zwischen den Bergen, also die Einsamkeit meiner Kinderjahre einzutauschen gegen die weiten, offenen, winddurchwehten Himmel der schottischen Hebriden, gegen die weißen Brandungslinien mit ihrem Versprechen der Erneuerung.

 Erik Hoffmann, Berlin 2001

 

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